Selbstbestimmtes Fernsehen – warum nicht der TV der Feind ist

Ich erhalte immer wieder Mails und Kommentare zum selbstbestimmten Medienkonsum. Sei es Fernseher, Tablet oder vielleicht sogar schon das Handy.
Meist von doch besorgten Eltern mit der Aussage : Feste Zeiten zum Fernsehen sind doch aber nicht schlimm, oder?

Was ist denn schlimm? Und woran setzt Du genau fest, wann etwas schlimm ist? Oder wenn etwas zu viel ist?

In meinem heutigen Beitrag soll es um einige Glaubenssätze und Ängste geben, an denen Du selbst als Elternteil arbeiten solltest, damit auch im Bereich Medienkonsum dein Kind selbstbestimmen kann. Und warum sagt eigentlich nie jemand: „Kind, du hast viel zu wenig Fern gesehen, ab vor den Bildschirm mit dir!“?

Meine Kinder gucken gerne Fernsehen und meist auch „viel“, wobei das ja sehr subjektiv ist.
Das bedeutet in unserem Fall nicht, dass sie 24/7 still auf dem Sofa sitzen (oder der TV dauerhaft angeschaltet ist, das wäre mir sicher auch auf Dauer zu teuer, habe ich auch so kommuniziert) und sich berieseln lassen. Hier wird getanzt, gemalt (ganz toll, wenn durch Serien/Filme die Fantasie angeregt wird zum malen!) , anderweitig gespielt.

Natürlich geistern auch in meinen Gedanken Sätze wie „Mensch, das muss doch mal genug sein, lies doch lieber ein Buch, spiel was …“ Aber all das tun sie nebenbei. Und beide haben total großes Interesse an Büchern, anderen Spielsachen, lieben es mit anderen Kindern zu spielen, aber der Fernseher ist trotzdem auch Teil des Lebens, einfach auch, weil wir allgemein ein „modernes“ Leben führen.

Glaubenssätze & Ängste sollten nicht Teil Deiner Argumentation sein.

Kommen wir mal zu den Glaubenssätzen.

Wenn das Kind so viel TV guckt, dann verpasst es wichtige Dinge und womöglich lernt es auch weniger (weniger Zeit=weniger lernen, durch andere Beschäftigungen).
Ja, mag sein, dass Mensch andere Sachen verpasst, wenn es vorm TV sitzt. Genauso gut könnte es halt auch beim Buch lesen oder mit Kindern spielen andere tolle Sachen verpassen.

Wir haben Mal den Eismann verpasst, weil wir lieber unterwegs waren. Shit happens. So ganz ohne TV ist das halt tatsächlich einfach immer so , dass wir nur eine Sache aktiv wahrnehmen können und dafür was anderes „verpassen“, mal ganz davon abgesehen, dass uns das meist nicht mal klar ist – wichtig finde ich, dass, wenn Du ganz genau weißt, dass der Eismann (oder anderes gutes Beispiel bitte selbst ausdenken) gleich um die Ecke kommt, dem Kind die Wahl lässt: Du, der Eiswagen kommt gleich – möchtest Du jetzt XY weitermachen oder eine kurze Eispause machen?

Zum Lernen ist es fast das Gleiche: verschiedene Dinge können zu verschiedenen Zeiten/Momenten erlernt werden. Und ich möchte gerne nochmal sagen, dass meine Kinder wunderbar dazu angeregt werden ihre Lieblingsfiguren nachzuzeichnen, sie spielen Szenen nach und schalten sogar extra Serien ein, bei denen Experimente etc gezeigt werden. (Zu letzterem: Selbst wenn nicht, ich stelle den TV zur Verfügung, aber nicht mit dem Hintergedanken, dass sie doch bitte bitte nur „sinnvolles“ schauen. Denn niemand kann sagen, was sinnvoll ist oder nicht. Auch ich finde manches echt bescheuert, aber meine Kinder finden Gilmore Girls nun auch nicht prickelnd. Müssen sie ja nicht sehen 😀 )

Ein Film soll was Besonderes bleiben – daher nur am Wochenende


Lasst uns Mal ‚Film‘ mit anderen Sachen ersetzen.

“Ein Buch soll noch was Besonderes bleiben – daher nur am Wochenende“
“Ein Freundebesuch soll noch was Besonderes bleiben…“
“Ein Eis soll…“
“Fahrrad fahren soll..“

Oder für Eltern:
“Ein Kaffee…“ NEIN?! 😀

Natürlich schreien wieder Menschen auf, dass man Äpfel mit Birnen nicht vergleichen kann. Doch, kann man. Und sind es keine Äpfel und Birnen, sondern lediglich verschiedene Aktivitäten und können daher super miteinander verglichen werden.

Warum ist es Dir wichtig, wie viel Dein Kind worin macht?
Würdest Du Dein Kind auch in anderen Aktivitäten bremsen?
Woher genau kommt deine Angst und was bereitet Dir Sorgen?

Die Angst von der Du sicher sprichst, ist die, von der „die Gesellschaft“ spricht. Irgendeine irrationale Angst, die unbegründet ist, solange Du im Kontakt mit Deinem Kind bist. Solange Du über die Dinge sprichst, die im TV oder sonstigen Aktivitäten entstehen.

Ich kann Deine Angst verstehen. Du bist da ja auch nicht allein. Aber bremse Dein Kind nicht, weil Du Sorge hast, dass xy eventuell geschehen könnte.
Wenn Du merkst, dass dein Kind Co-Regulation benötigt, dann versuche gewaltfrei zu kommunizieren, warum Du denkst, dass für heute der TV ausgeschaltet werden sollte.

Wenn Du Deinem Kind die Mediennutzung nur zu bestimmten Tagen und Zeiten gestatten möchtest, sei klar in dem Warum. Warum willst Du das? Wenn Deine Antwort eine Angst/Sorge ist, dann ist es kein Grund sondern da spricht nur ein Gefühl. Dein Gefühl hat sicher Berechtigung, allerdings lässt Du Dein Kind sicher auch Fahrrad fahren, obwohl Du weißt, dass es hinfallen und sich schwer verletzen könntest. Nicht einmal hast Du einen Gedanken daran verschwendet, ob Du ein Fahrrad kaufen sollst oder lieber nicht, weil… Oder hast Dir Zeiten überlegt, wann es Fahrrad fahren darf und wie lange.

Schreibe Dir Deine Ängste und Sorgen und ggf Glaubenssätze auf. Schaue wie DU daran arbeiten kannst und nicht wie Dein Kind diese Sorgen in Zaum halten kann.

Falls Du noch neu im Thema bist, dann empfehle ich Dir meinen Artikel über Selbstbestimmung, Co-Regulation etc.
Und über Erziehung, Unerzogen und AP kannst du hier alles nachlesen.

Ein Kommentar

  1. Toller Beitrag, der mir aus der Seele spricht?
    Insbesondere den Part mit der Anregung der Phantasie kann ich bestätigen; unsere Große nutzt das Fernsehprogramm auch meistens als Hintergrundrauschen und spielt nebenher viel und ist trotzdem gern draußen und noch kein TV-Zombie?

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