Heute kommt wieder ein mega tolles Interview!
Dieses Mal mit der lieben Tabea von Mama-Baby-Vision!
Sie ist nicht nur Windelfrei-Coach, Trageberaterin und Kinderkrankenschwester , sondern auch Stillberaterin! Und darum dreht sich auch ihr Blog hauptsächlich – wie Mama und Kind eine tolle Stillbeziehung von Anfang an führen können.
Umso mehr freue ich mich, dass sie mir die Fragen beantwortet hat, die wahrscheinlich jede Schwangere oder Stillende irgendwann man hat.
Stillen von Anfang an
Was du wissen musst
1.Wie lange empfiehlst du, als IBCLC Stillberaterin , Vollzustillen und wie lange nach Beikostbeginn?
Grundsätzlich ist das Stillen heute ja eine persönliche Entscheidung. Wenn du in einer Beratung oder Gruppentreffen mit mir zusammen arbeitest, verweise ich auf die offiziellen Empfehlungen, die sowohl vorhanden, als auch wunderbar fundiert sind.
Die WHO empfiehlt weltweit – unabhängig ob ein Baby in einem armen Land oder einem reichen Industriestaat geboren wird – bis zu 6 Monate ausschließlich zu stillen und danach bis zum 2. Geburtstag weiterzustillen. UND: gerne darüber hinaus, so lange Mama & Kind es angenehm finden.
Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung hat eine Stellungnahme dazu herausgegeben. Trotz der guten Versorgung mit Nahrungsmittel wird dort für Deutschland empfohlen bis zum 1. Geburtstag zu stillen und überlässt die Entscheidung über das Ende der Stillzeit jeder einzelnen Mutter persönlich.
Interessant ist, dass das biologische Abstillalter erst mit dem Zeitpunkt einhergeht, zu dem das Menschenkind auch die Milchzähne verliert. Also viel später als in unseren Breitengraden üblich, weshalb wir gestillte größer werdende Kinder sehr selten Gesicht bekommen.
2. Oft wird von Kinderärzten geraten abzustillen, weil das Stillen angeblich Karies begünstigen soll. Was sagst du dazu?
Ein frühkindlicher Karies ist verschiedenen Einflussfaktoren geschuldet. Allerdings zeigen sowohl Studien, als auch anthropologische Forschungen, dass es viel zu kurz gedacht ist, ‘einfach’ dem Stillen die Schuld zu zusprechen, wenn Karies bei einem gestillten Kind entsteht.
Da ich keine zahnärztliche Ausbildung habe, bin ich sehr dankbar, dass das Europäische Institut für Laktation und Stillen wichtige Informationen zur aktuellen Datenlage zusammengetragen hat.
Auch eine Facharbeit von einer IBCLC-Kollegin ist auf der Seite hinterlegt.
Statt auf Ansichten oder Meinungen zu pochen ist es heute mehr denn je gut, die vorhandenen Quellen zu nutzen. Denn davon gibt es immer mehr 😀
Aufgrund der Datenlage halte ich nächtliches Stillen auch nach dem Durchbruch der Zähne für unproblematisch.
3. Was für Gründe stehen für eine Zufütterung – oder gibt es gar keine?
Das Zufüttern von Formulanahrung ist ein Luxus, den wir in unserer westlichen Welt haben. Gründe die Formulanahrung auch zu nutzen gibt es viele. Die meisten davon sind sehr persönliche Gründe.
Zum Beispiel ein Umstieg auf die Flaschennahrung aufgrund von Schmerzen beim Stillen.
Stillen, Schmerzen, Wunde Brustwarzen
Es gibt natürlich auch medizinische Gründe, die ein Zufüttern notwendig machen. Aber da ist eben sehr genau abzuwägen, ob es notwendig ist wirklich Pre-Nahrung zu nutzen oder ob es möglich ist die Muttermilchmenge zu pushen oder die Muttermilchsahne zu nutzen – die entsteht, wenn abgepumpte Muttermilch eine Weile steht.
Weniger als 2% der Frauen können tatsächlich nicht genügend Milch für ihre Babys produzieren – das ist ein unglaublich geringer Anteil. Für diese Babys ist es gut, wenn die Ersatznahrung dann weiterhin an der Brust zugefüttert wird. So können die Vorteile des Stillens jenseits der Nährstoffzusammensetzung gut genutzt werden.
4. Muss etwas beachtet werden, wenn zugefüttert wird/werden muss?
Ja klar – einmal unbedingt die Hygiene!
Da wird mit Milch herumhantiert und das ist der perfekte Nährboden für Keime, wenn nicht sehr sauber gearbeitet wird.
Schließlich ist die Welt voll mit Keimen.Darüber hinaus muss eben wirklich abgewogen werden, ob die Nachteile des Verzichtes auf das Stillen wirklich in Kauf genommen werden müssen oder ob nicht viel mehr durch eine Verbesserung der Stillsituation ausschließlich gestillt werden kann.
Gefahren der künstlichen Säuglingsernährung
Ist das Zufüttern unumgehbar, dann profitiert das Baby sehr davon, diese Nahrung weiterhin während dem Saugen an der Brust zu erhalten, weil auch moderne Sauger ein anderes Saugmuster verlangen. Die Muskulatur des Gesichtes wird nur beim Saugen an der Brust natürlich trainiert. Es wäre sehr wünschenswert, wenn viel häufig frühzeitig stillberaterische Hilfe hinzugezogen würde. Eine Stillberaterin kann ohne weiteres erklären, welche Bedürfnisse während dem Stillen erfüllt werden und kann so helfen einen individuellen Weg zu finden, die Nachteile des Still-Verzichtes zu reduzieren. Oder das Stillen im größtmöglichen, gewünschten Umfang zu erhalten.
In meinem Stillvorbereitungskurs lernen die Mamas das übrigens selbst einzuschätzen und wissen dadurch genau, wie sie die Bedürfnisse ihres Babys über das Stillen hinaus gut erfüllen können.
5. Schnuller sind ein Brustersatz. Begünstigt der Gebrauch eines Schnullers eine Saugverwirrung?
Ich liebe die Diskussion über den Schnuller geradezu 😀
Denn früher war ich der festen Überzeugung, dass es keine Saugverwirrung geben würde!
Meine Arbeit mit den kranken Neugeborenen und Frühgeborenen lehrte mich, dass die einfach einen großen Fremd-Saug- Bedarf haben, wenn sie so viele Stunden am Tag von ihrer Mama getrennt sind. Trotzdem gab es ganz selten Anzeichen, die ich als Zeichen einer Saugverwirrung gedeutet hätte.
Heute weiß ich, dass reife Neugeborene in einer ganz anderen Lebenssituation sind. Sie sind nicht so stark darauf angewiesen effektiv zu sein – denn sie haben keine knappen Überlebensressourcen. Wenn ein kräftiges Baby also lieber lange am Schnuller saugt, dann wird es das tun, weil der Saugreiz dort einfach stark ausgelöst wird. Um danach unter Umständen schonungslos mit der gleichen Technik auch an der Brust zu saugen.
Ebenso gibt es Kinder, die dann an der Brust leider nicht mehr effektiv saugen – ein Teufelskreislauf, weil dadurch zu wenig Milch gebildet wird.
Wie genau ein Schnuller wirkt, habe ich gerade in einem Blogartikel erklärt… danach ist viel leichter zu verstehen, dass zwar nicht jedes Kind eine Saugverwirrung bekommen muss, aber es trotzdem ein Spiel mit dem Feuer bleibt den Schnuller zu früh einzusetzen.
6. Viele Frauen sagen, dass sie nicht Stillen können/konnten. Woran liegt das und stimmt das überhaupt?
Klar stimmt das.
Die Gründe sind sehr individuell.
Meist kommt ein ungünstiges Potpourri aus
- einer Geburt unter Einfluss von Medikamenten
- einer fehlenden oder schlechten Beratung und
- einer auf das Stillen wenig vorbereiteten Mutter
zusammen.
Mit Vorbereitung meine ich dabei nicht, dass einige Stillflyer gelesen wurden, sondern einen aktiven Prozess, der sich mit der eigenen Stillgeschichte befasst und die persönliche Situation auf die Stillzeit vorbereitet. Einschließlich eines funktionierenden Hilfenetzwerkes.
Wir leben einfach in keiner Zeit mehr, in der alles natürlich von statten geht. Uns fehlen die Vorbilder … und Stillen ist erlerntes Verhalten. Für Mutter & Baby.
7. Stillen und Alkohol – Geht ein abendliches Glas Wein oder rätst du dringend davon ab?
Hah. Was für eine Fangfrage.
Natürlich rate ich dringend davon ab. Was sollte ich sonst tun?
Der Alkohol der im Blut ist gelangt unmittelbar in dieser Konzentration auch in die Muttermilch.
So kann sich jeder ausrechnen, wie viel Alkohol in der Muttermilch ist und ob das Baby das wirklich trinken soll.Noch fataler: Gerade zum Beginn der Stillzeit kann Alkohol den Milchspendereflex verschlechtern.
Daher bin ich doppelt wenig begeistert, wenn ich sehe, dass eine Mama die im absoluten Baby-Blues- Milcheinschuss-Down empfohlen bekommt ein Glas Sekt zu trinken … das lockert vielleicht die Zunge – aber hallo? Betäuben wir jetzt Wochenbettgefühle mit Alkohol?
Dennoch habe ich ein ‘aber’ … denn eine Frau, die ihr Kleinkind mit Minimengen im Verhältnis zu gewachsener Körpergröße stillt und die an Silvester auf einen Schluck Neujahrssekt anstößt, die werde ich sicherlich nicht komisch von der Seite ansehen.
Du merkst – das Stillen hat keine leichten Antworten 😀
8. Stillen und Rauchen verträgt sich nicht – dann lieber Flaschenmilch geben, oder nicht?
Nein. Die Vorteile des Stillens überwiegen die Nachteile des Nikotins in der Muttermilch.
Ziel sollte sein das Rauchen so stark wie möglich einzuschränken und die vereinzelten Zigaretten unmittelbar nach einer Stillmahlzeit und im weitmöglichsten Abstand zur nächsten Stillmahlzeit zu ‘genießen’.Noch viel wichtiger: eine absolut rauchfreie Wohnung, das Überziehen eines Schutzjäckchens und eines Haarschutzes, um möglichst wenig Nikotinreste zurück in die Wohnung zu bringen und kein Beding-in aufgrund der Nikotinausdünstungen über den Schweiß.
Und: ich halte die Gesundheit des eigenen Babys bereits in der Schwangerschaft für den besten Grund aufzuhören. Am besten sofort. Denn wer will schon seinem Baby als erstes Geburtstagsgeschenk einen harten Entzug schenken??
9. Muss ich als Stillende explizit auf meine Ernährung achten?
Der einzige Stoff, der in der Zusammensetzung der Muttermilch nachweislich beeinflussbar ist, ist die Qualität der Fette. Das heißt es macht schon einen Unterschied, ob ich ein kräuterfressendes Weiderind mit viel Omega-3- Fettsäuren esse oder das schnellgewachsene Stalltier welches nur Kraftfutter bekam. Oder eben die Qualität der Öle die gegessen werden.
Alle weiteren Ernährungsempfehlungen zu
- Verzicht von Nahrungsmitteln wegen Blähungen & wundem Po
- besonders reichhaltiger Nahrung für mehr Milch
- der Behauptung es ginge nur omnivor
sind überholt.
Grundsätzlich ist es aber sehr wichtig auf eine ausgewogene Ernährung zu achten und wenn bestimmte Lebensmittelgruppen gemieden werden, muss nahezu immer eine Substituierung mit Vitaminen erfolgen. Vor allem auch, damit kein Mangel bei der Mutter entsteht – die bekommt sonst nämlich alle ihre Depots leer geräumt.
Das rächt sich. Unabhängig von der gewählten Ernährungsform.
10. Was ist dein persönlich wichtigster Ratschlag zum Thema Stillen?
Eigentlich sind es mir 2 Herzensanliegen.
1. bereite dich gut auf das Stillen vor – wenn du ‘im Saft’ stehst, dann kannst du die meisten Stillprobleme im Anflug erkennen und ihnen direkt vorbeugen
2. wenn du Stillprobleme hast oder bekommst, dann hole dir umgehend Hilfe. Tritt binnen 24-72 Stunden keine Besserung deiner Situation ein und hat die von dir gewählte Hilfe keine für dich sinnvoll klingenden Antworten parat, dann such dir eine andere Beraterin. Umgehend.
Ich bekomme einfach den Vogel, wenn ich mitbekomme, wie lange wir Frauen die Zähne zusammenbeißen oder Stillsituationen aussitzen, bei denen die Babys viel weinen und tatsächlich Hunger haben, weil nach 6 Wochen einfach zu viele Dinge passiert sind.
Aber trotzdem ist das alles nicht das Ende des Stillens …da ist es einfach gut, alle Aspekte zu besprechen und zu schauen, was DIR in der schwierigen Stillsituation die allerwichtigsten Anliegen sind – so führt der Weg über ganz individuelle Lösungen.
Tabea Laue ist Kinderkrankenschwester mit international zertifizierter Weiterbildung zur Still- und Laktationsberaterin (IBCLC). Sie berät und begleitet im Raum Heilbronn und via Skype weltweit Mütter bei Fragen zu Stillvorbereitung und Lösung von Stillproblemen, aber auch zu vielen begleitenden Aspekten wie Tragen, Babykommunikation, Babypflege, Windelfrei und Selbstfürsorge. Auf ihrem Blog und in ihren Webinaren kannst du lernen, wie du dich in der Schwangerschaft vorbereitest und vertrauenswürdige Begleiter findest.
Ihr nächstes kostenfreies Webinar im Juni widmet sich der Frage ‘Habe ich genug Milch?’und wird den Teilnehmerinnen helfen genau diese Frage richtig zu beantworten.
Du hast noch Fragen an Tabea (IBCLC) oder einer anderen Stillberaterin , z.B einer von der AFS?
Hier ist die Hotline von der AFS : 0228 92959999
Und hier kannst du Tabea erreichen: Tabea Laue, IBCLC Stillberaterin
Eure Lisa
[affilinet_performance_ad size=728×90]