Gewalt fängt nicht erst an , wenn jemand Schmerzen hat.

Die nachfolgenden Zeilen entsprechen eher meinem sehr chaotischen Gedankenfluss – weil es raus musste. Es ist nicht alles sortiert und es wird sicher nochmal einen weiteren, strukturierteren Artikel zum Thema geben.

Ich glaube jeder kennt es schon – das Video von BBC , wo der Vater ein Interview gibt, seine Kinder in das Büro kommen, seine Frau wie ein Ninja hereingeschliddert kommt und die Kinder aus dem Zimmer zerrt und auf allen Vieren die Tür schließt.

Mega unangenehm für die Eltern – ich habe Verständnis dafür, dass sie ziemlich gestresst und vielleicht auch panisch gehandelt haben. Es steht wahrscheinlich eine Menge Geld und der gesamte Job auf dem Spiel, falls was schief geht.

Doch trotz allem kann ich nur zum Teil über das Video lachen. Denn ich finde die Handlung dermaßen übergriffig und gewaltvoll – und ich sehe es fast über all. Im Supermarkt, im Freizeitpark.

Hier und da werden Kinder am Arm gepackt und irgendwohin gezerrt.

Auf Facebook gab es dazu eine Riesen Diskussion.

“Gewalt? Meine Güte, da hat wohl jemand keinen Humor. Die Kinder werden das sicher auch irgendwann lustig finden. “

Verherrlichung von Gewalt. Weil die gewaltvolle Handlung (packen des Arms , etc.) gar nicht erkannt wird.

Wenn ein Mann eine Frau am Arm packen würde und dann noch mit genervt, aggressiven Ton sagen würde “Boar, komm jetzt mit, stell dich nicht so an” – wie würden die Menschen reagieren?

Geschockt – wie kann ein Mann bloß so eine Frau anpacken. Jemand muss ihr helfen.

Doch bei Kindern? Ist es normal.

“Ist ja nichts passiert.”

Und was wäre wenn als Überschrift gestanden hätte: Kind bricht sich Arm in Live Interview.

Was dann? Dann gebe es viele Aufreger, dass die Mutter das Kind so am Arm gepackt hat .

Wieso muss erst was passieren damit die Menschen ihre Augen aufmachen und sehen, dass Gewalt nicht erst dann Gewalt ist, wenn jemandem ernsthaft weh getan wird?

Wo fängt Gewalt an und wo endet sie?

Fängt Gewalt wirklich erst dann an, wenn jemand Krankenhaus reif geprügelt wurde?

Oder fängt Gewalt nicht dort an, wo die persönliche Grenze eines anderen Menschen massiv überschritten wird (am Körper anpacken, etc) ?

Kleine Klapse auf die Finger, den Po oder ins Gesicht sind Gewalt. Ich kann auch sagen “War doch gar nicht doll” , aber macht es das besser?

Gibt es schlimme Gewalt und nicht so schlimme Gewalt? Wieso unterscheiden viele zwischen harmlos und schlimm?

Natürlich tut ein Klapser auf die Finger nicht so doll weh, wie wenn die Nase gebrochen ist oder das Auge blau ist – aber macht es die Gewalt weniger schlimm?

Nein! 

Denn wenn ich sage, dass die Gewalt in Form eines Klappses nicht schlimm sei, suggeriere ich nur, dass es allgemein nicht schlimm wäre auf die Finger zu schlagen.

Und damit suggeriere ich, dass Gewalt erst dann Gewalt ist, wenn es dem Opfer wirklich schlecht geht.

Gewalt fängt da an, wo die Grenze eines Menschen überschritten wird. 

Und damit meine ich natürlich nicht , dass die Kinder gewaltvoll sind, wenn der Papa schon genervt von Ihnen ist (da hat sowieso der Vater eher das Problem, aber ein anderes Thema).

Ein Klaps, ein richtiger Schlag, andere physische Gewalt und auch psychische Gewalt sind immer Gewalt! Es ist und bleibt Gewalt – egal ob ich nun sage “War nicht so doll”, “Ich hatte es schlimmer”, “Wir haben es auch überlebt”.

Wäre es nicht schöner zu sagen “Wir leben. Angstfrei und Gewaltfrei” anstatt auf eine Vergangenheit mit Angst und verherrlichter Gewalt zurückzublicken und zu sagen “Naja , wir haben es ja auch überlebt”?

Wie viele haben es nicht überlebt und können es nicht sagen?

Und weil viele immer denken, dass ich irgendwelche Eltern anprangere: nein. Es geht mir nicht um die Eltern (in dem Video) sondern um die Handlung. 

Augenhöhe. Kurzer Satz, dass wir aus dem Zimmer gehen. Kind auf den Arm. Raus.

Egal wo. Ob nun in einer Konferenz, Spielplatz, Supermarkt.

Vergesst nicht  wen ihr da vor euch habt : eure Kinder. Eure Liebe des Lebens. 

Und möchtet ihr am Arm herumgezerrt werden oder lieber jemanden, der euch auf Augenhöhe begegnet und euch aus der Situation begleitet?

In einer Gefahrensituation ist es natürlich völlig in Ordnung andere Menschen auch mal grob am Arm zu packen – aber da Schütze ich einfach das Leben eines anderen Menschen!

In den allermeisten Fällen wird so gehandelt obwohl keine Gefahrenquelle in der Nähe ist.

Was sind eure Gedanken dazu – seid ihr meiner Meinung oder eher “wir haben es ja auch überlebt”? ?

 

6 Kommentare

  1. Ich sehe es genauso…Und es passiert ÜBERALL und vollkommen ‘normal’ ? aber vor allem in 99% der Fälle völlig unnötig. Auf dem Geburtstag einer Freundin letztens, wohlgemerkt um 10 Uhr abends, sollte ein ca 5 jähriges Mädchen die Schuhe allein anziehen, weil es das ja kann. Um 10 Uhr abends. Müde. Ich hab meiner Tochter die Schuhe angezogen. Die Erklärung an das Mädchen war, dass sie 5 und meine Tochter erst 3 wäre, da könne meine das noch nicht alleine. Naja, kann sie im Grunde genommen schon, ‘konnte’ es in dem Moment aber nicht mehr. Und selbst wenn doch, habe ich mir keinen Zacken aus der Krone gebrochen..ubd verlernt hat sie es dadurch trotzdem nicht ?. Es kann natürlich auch passieren, dass ich mal genervt bin, allerdings hab ich den Dreh mittlerweile so gut raus, dass ich entweder atme und denke, dass ich gerade nur meinen Willen durchsetzen will ooooder, wenn es doch mal zu spät ist, mich sofort für etwas zu entschuldigen! Aber am Arm packen oder irgendwohin ziehen, zerren etc gibt es bei uns sowieso nicht! Wenn ich die Menschen so beobachte, machen mich auch nicht die Menschen wütend, sondern nur die Handlungen. Leider identifizieren sich die Leute andauernd über Handlungen, vor allem, wenn es um so etwas geht. Sie fühlen sich dann in der Liebe zu ihrem Kind angegriffen. Deswegen verkneif’ ich mir die direkte Konfrontation gerade mit den Eltern im Kindergarten, das würden die nicht verkraften.. ?

  2. Liebe Lisa, ein wichtiges Thema. Wie du ja schon schreibst sind wir oft einfach nur Überbleibsel aus unserer Steinzeit, wo es ums Überleben ging und darum, schnell zu reagieren. Bei uns steht vielleicht “nur” der Job auf dem Spiel oder dass wir zu spät kommen. Wobei sich ein solches wiederholtes Zuspätkommen auch auf Dauer negativ auf uns auswirken kann und das wissen wir. Ja wir schieben und ziehen unsere Kinder dann auch unter Stress in “Richtung Ziel” oder ziehen ihnen die Schuhe an, obwohl sie es selber können, wir aber einfach keine Geduld oder Zeit dafür haben. Wir denken “das darf nicht so lange dauern” dann mache ich es selbst. Das ist schon auch ein gesellschaftliches Problem. Und ich denke dass es in anderen Ländern sehr viel weniger besteht. Dort werden dann auch weniger Termine gemacht. Da heißt es dann, ja wir kommen dann mal vorbei … irgendwann. In unseren kulturellen Kreisen wird es als Beleidigung aufgefasst, zu einem Termin 15 Minuten zu spät zu kommen. Und so funktioniert unser Zusammenleben auch nicht. Hier werden Türen vom Kindergarten verschlossen und wer zu spät kommt, darf nicht mehr rein. Ja da steht man jeden Tag vor Herausforderungen und es ist wirklich schwer, da immer auf jedes Kind einfühlsam einzugehen. Das Problem ist aber, dass die Kinder später auch nicht mit Einfühlung ihres Lehrers oder Arbeitsgebers rechnen können, wenn sie zu spät kommen oder einen Raum betreten, den sie nicht betreten sollen. Gehen wir die Situation nochmal durch. Der Moderator aka Vater macht keine Anstalten, selbst von seinem Platz aufzustehen und das Kind aus dem Zimmer zu bringen. Die Mutter sieht die Tür steht offen. Beide Kinder sind dort drinnen. Würde sie sich in die Tür stellen und die Kinder bitten oder auffordern den Raum zu verlassen, hätte sie noch mehr gestört. Würde sie jedes Kind einzeln raustragen, wäre sie zweimal ins Bild der Live-Übertragung gelaufen. Sie hat einfach nur reagiert. Der Vater wird in Zukunft sein Zimmer absperren, wenn er darin arbeitet. Aber ich werde in Zukunft und nach deinen Worten versuchen mein Kind nicht mehr am Arm zu ziehen, wenn keine wirkliche Gefahr besteht <3 Alles Liebe, Ella

    1. Liebe Ella, Danke für dein Kommentar.

      Ich hätte die Situation wie folgt gelöst : großes Kind auf den Arm und gleichzeitig anderes Kind “rausschieben ” – zerren und ziehen ging ja auch 😀 🙁

      Liebe Grüße auch an dich ❤

  3. Hallo!
    Ich finde auch, dass es noch mehr gesellschaftlicher Konsens sein muss, respektvoller mit dem Körper der Kinder umzugehen und das fängt beim Nase-putzen mit Vorankündigung an.
    Andererseits ist dieser massive Beschuss von Eltern untereinander, mit Besserwissereien und Bewertungen auch ein wichtiges Thema. Hinterher fallen sicher jedem bessere Lösungen für Stresssituationen ein!
    Zu dem genannten Video finde ich weiterhin wichtig, dass es leider wirklich zu vielen passiert ist, die Mutter für die Nanny zu halten…

  4. Ich (Jahrgang ’83) wurde als kleines Kind und Heranwachsende oft am Arm gezerrt, den Arm verdreht, die Haut gequetscht oder auch mal auf den Hinterkopf geschlagen. Als Kind hatte ich Angst davor und habe natürlich Vermeidungsstrategien entwickelt (Dinge verheimlichen, verstecken, lügen). Irgendwann dachte ich, das sei normal, weil ich nicht das tat, was von mir erwartet wurde, nicht die Leistung erbrachte (Schule), die gewünscht war oder etwas länger brauchte, um Dinge zu verstehen. Ich habe viele Jahre darunter gelitten und manchmal glaube ich auch heute noch, da es meine Mutter war, von der diese “Aktionen” ausgingen. Erst heute begreife ich langsam, dass es Gewalt war und nichts anderes. Manchmal kommen auch heute noch Erinnerungen an solche Situationen hoch und dann fließen die Tränen bei mir… ganz aufgearbeitet habe ich das nie.

    Auch seelische Gewalt spielt in solchen Konstellationen immer eine Rolle, wie ich finde. Oft habe ich gehört, wie persönlich enttäuscht man von mir sei, wenn ich eine schlechte Note auf dem Zeugnis hatte. Dass ich den Geburtstag “verdorben” hätte (meine Mutter hatte immer um die Ausgabe der Halbjahreszeugnisse Geburtstag). Dass man ja gar nicht so dumm sein könnte wie ich (wenn ich mal wieder Mathematik nicht verstanden habe).

    Ich finde es richtig und wichtig das dieses oft verharmloste Thema mal angesprochen wird. Ich glaube es gibt nicht wenige Erwachsene, denen so etwas widerfahren ist und sicherlich auch heute noch Kinder, die so aufwachsen.

    Liebe Grüße

Schreibe einen Kommentar zu Elisa Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Melde dich für meinen Newsletter an und Du bekommst meine “10 Tipps für mehr Ordnung im Familienhaushalt” kostenlos als E-Book!